E-Bike am Berg
September 2018. Das E-Bike ist an sich eine geniale Entwicklung, die primär zur großen Freude der Wirtschaft in den vergangenen Jahren voll eingeschlagen hat und seine Erfolgsgeschichte wohl noch fortsetzen wird. Zur Freude auch derer, die (wieder) gewisse Mobilität bzw. Erweiterung in ihrem Bewegungsradius erlangen. Freude hat offenbar ebenfalls eine vielfach junge Klientel, die diese Unterstützung zum Erklimmen der Bergstraßen nutzt, aber eigentlich gar nicht nötig hätte. Und da gibt es noch den MTB-Pionier, der schon Jahrzehnte an den Gardasee zum Mountainbiken kommt und nun, in seinen 80er Jahren, auf die Unterstützung des Motors zählt, um weiterhin das herrliche Gebiet um den See zu erkunden. Wie auch immer, jeder soll und kann das für sich selbst entscheiden.
Etwas differenzierter kann man das tatsächlich beim E-Mountainbiken betrachten. Wir haben die Entwicklung während der vergangenen Jahre en passant am Gardasee, dem Dorado für betont sportliche Mountainbiker vorwiegend deutscher Provenienz, beobachtet. Anfangs waren es noch vorwiegend weniger erprobte Partnerinnen, die so bergauf mit ihren „Marathonmännern“ mithalten konnten. Durch die Leistung der E-Antriebe hatten nun allerdings bald die Sportler das Nachsehen, wenn sie sich denn antreiben ließen. Heute, knapp vor den 2020ern, sind bereits sehr viele junge Paare mit E-Mountainbikes unterwegs. Der sportliche Anspruch hat sich also stark verändert. Fluch und Segen für den Tourismus und für manche Strecken. Durch die Möglichkeit, leichter auf den Berg zu kommen, hat sich damit die Zielgruppe maßgeblich erweitert. Dazu kommt das Problem vor Ort, nämlich, dass viele der „MTB-Quereinsteiger“, die nun leicht hinauf kommen, nicht wirklich „downhill-affin“ sind, was besonders für unbefestigte Wege gilt. Im günstigsten Fall sind sie nur im Weg – bereits des Öfteren erlebt … Offenbar bedenken viele nicht, dass sie wieder hinunter müssen und das eben nicht überall auf Asphalt tun können.
Dennoch muss man gelegentlich schmunzeln, wenn man z. B. die Konversation unterwegs belauscht. Traf man früher an Rast- oder Aussichts-Punkten auf (meist deutsche) „MTB-Profis“, so drehte sich das Gespräch um die Komponenten ihrer High-end-Fullies und mit zunehmendem Carbon-Einsatz das geringe Gewicht. Im September 2018 musste ich bei einem kurzen, steilen Pfadabschnitt absteigen. Oben auf der Kuppe sah ich bereits zwei MTBler, die sich unterhielten. Näher kommend bemerkte ich zuerst, dass sich beide auf ein E-Bike stützten, und kurz darauf verstand ich, worum es in dem Gespräch ging. Einer erklärte gerade enthusiastisch, welch leistungsfähigen Akku er habe und wie genial smart seine Steuerung sei. Das Gewicht, um einige Kilo höher als das unmotorisierter Bikes, ist kein Thema, jedenfalls solange der Akku funktioniert.
Bei meiner nächsten Zählung rechne ich am Gardasee mit einem Überhang der E-Mountainbikes. Zum Glück fahren tatsächlich viele nur auf den bekanntesten Routen. Wählt man etwas abgelegenere Tracks, oder solche mit reichlich Höhenmetern wie den Tremalzo – noch, denn die Tour übersteigt derzeit die Akkukapazität um einiges, wenn man in Riva startet –, dann findet man kaum E-Bikes. So wird sich die Mountainbike-Kultur auch am Gardasee mehr oder weniger rasant weiter ändern. Mit der „Generalsanierung“ der zuvor kurzweiligen, mit kleinen Schikanen versehenen Ponalestraße (siehe separaten Kommentar dazu) oder dem Bau der spektakulären Eisenkonstruktion des Radwegs von Riva nach Limone entspricht die Kommune dem Trend zum Massentourismus.