Gut gegrillt, Radler
Riva del Garda, 2019. Dieses Jahr sind wir „sicherheitshalber“ im Juni an den oberen Gardasee zum Mountainbiken gefahren. Zum einen schon mal urlaubsreif, sind wir zum anderen nicht sicher, unseren bevorzugten Septembertermin einplanen zu können. Unsere „traditionelle“ Garni-Pension hat heuer wieder ein Zimmer für uns. In den vergangenen Jahren hatten wir ein paar Mal Pech, speziell dann, wenn wir mehr als ein Zimmer benötigten, was diesmal nicht der Fall ist. „Good Old Austria“ ist zum Zeitpunkt unserer Abreise von schönem und mitunter sehr warmem Klima geprägt. Was für Bedingungen werden uns am Gardasee erwarten?
Seit 2002 machen wir die Gegend vorwiegend per Mountainbike unsicher, fast jährlich Mitte September und gelegentlich zusätzlich im Juni. Da hatten wir schon mit Wetterschwankungen zu tun: knapp 8°C am Tremalzo-Pass auf gut 1800 Metern Höhe (siehe Story Immer wieder Tremalzo), Anfang Juni Schnee am Altissimo (auf ca. 2000 Metern), manch eher kühle, regendurchsetzte Woche, aber meist moderate Temperaturen. Das Klima am Gardasee ist schon mediterran beeinflusst, da die Berge nach Süden allmählich abnehmen und der See zur Poebene offen ist.
Die Temperatur am Tremalzo-Pass wäre unter den heurigen Bedingungen interessant gewesen, wir haben jedoch genau deshalb auf diese ausgedehnte Tour verzichtet. Am Donnerstag, dem heißesten und unserem letzten Tourtag, registrieren wir im Halbschatten auf ca. 500 Metern Höhe um die 40°C. Kaum ein Lüftchen regt sich. Am Nachmittag, nach der Kaffeepause am Domplatz (Piazza III Novembre) in Arco, stehen die Bikes eine gute halbe Stunde in der prallen Sonne. Vor der Weiterfahrt sehe ich auf das Tacho-Thermometer: 55°C!
Es hatte sich bisher immer bewährt, die Leistung (primär durch Höhenmeter pro Tag definiert) zu steigern und gegen Ende des Aufenthalts die größte Tour zu unternehmen – schon einige Male war das der Tremalzo-Pass mit dem Gesamtumfang von ca. 70 Kilometern und über 2100 Höhenmetern. Im Juni 2019 ist alles anders. Vielleicht intuitiv sind wir gleich am Tag nach der Ankunft, Montag, 1300 Höhenmeter gefahren und haben einen uns noch nicht bekannten Singletrail erkundet. Nun wird es jeden Tag wärmer – es kühlt nicht einmal nachts ab – und wir schrauben mit steigenden Temperaturen unsere Ziele zurück. Damit fahren wir zwar keinen der folgenden Tage über 1000 Höhenmeter und auch keine neuen Routen, jedoch bietet die nähere Umgebung einen Vorteil: Der Ledrosee, über die herrliche Ponalestraße zu erreichen, und der Tennosee mit dem angehängten Klassiker, dem Pinzatrail, bieten beide Gelegenheit zu einem erfrischenden Bad, bevor es mit versenktem Sattel „downhill“ geht. Selbst der im Juni sonst noch recht kühle Gardasee hat sich innerhalb weniger Tage merklich erwärmt, sodass wir am Donnerstag Nachmittag einen Strandaufenthalt einplanen. Und wir sind nicht die einzigen!
Untypische Witterung ist am Gardasee relativ leicht zu erkennen. Die nördliche Region bis Malcesine im Osten und Limone im Westen ist ein traditionelles Surfparadies. Die Besonderheit ist nun, dass bei typischem, stabilem Wetter vormittags der Vento von Norden bläst. Ist er stärker, queren gute Surfer bereits zwischen Malcesine/Navene und Limone den See. Gegen Mittag, um 13 Uhr herum, dreht der Wind und es bläst mehr oder weniger kräftig die Ora von Süden. Nun wird auch am Nordufer gesurft – für ungeübte so besser, da der auflandige Wind sie nicht nach Süden abtreibt. Dieser Richtungswechsel vollzieht sich täglich nahezu „pünktlich“ … bis zum nächsten Wetterumschwung. Und genau das fehlte während unseres Aufenthalts bis einschließlich Donnerstag.
Sonntag (Anreisetag)
Nach dem Check-in um die Mittagszeit und kurzer Rast nach der Anreise nutzen wir das schöne Wetter – und die noch erträglichene Temperatur – für eine kleine Aufwärmrunde am Nachmittag. Von Riva über Radwege und Seitenstraßen nach Arco, 6 Kilometer nördlich. Von dort aus startet die Laghel-Tour in die Hügel, mit einem kurzen, relativ neuen gerölligen Trail hinunter nach Ceniga, quasi direkt zur Römerbrücke über die Sarca. Gleich nach Arco sind ein paar kurze, ganz ordentliche Anstiege dabei, allerdings auf festem Untergrund. An der Römerbrücke haben wir nach Jahren zum ersten Mal die Infotafeln betrachtet. Wie wir erfahren, stammt der älteste Hinweis auf die Brücke erst aus dem Jahr 1385. Die Existens zur Römerzeit ist nicht nachweisbar. An dieser Stelle zum Berg hin scheint auch nicht wirklich die Notwendigkeit eines römischen Wegs bestanden zu haben, außer man wollte sich im Schatten der Felswand anschleichen. Aber wer weiß ...
Die Laghel-Runde eröffnet ebenfalls ein wunderbares Panorama und zwar in das Sarca-Tal in nördlicher Blickrichtung mit Ceniga (Römerbrücke) im Vordergrund und hinten Dro. EMPFEHLUNG: In Dro gibt es bei der kleinen Distilleria Angeli einen der meiner Meinung nach besten Grappe der Welt ...
Montag
Wir wissen noch nicht, wie heiß es in den folgenden Tagen wird, doch scheinen wir es zu ahnen. Unüblich nehmen wir uns an diesem ersten Tag 1300 Höhenmerer vor. Die Tour hatte ich im Vorjahr bereits allein geplant. Da ich aber weniger Tage zur Verfügung und noch keine „ordentliche“ Tour in den Beinen hatte, beschloss ich an der Abzweigung auf etwa 1300 Metern Höhe, weiter aufzusteigen. Den Altissimo mit über 2000 Höhenmetern hatte ich als „frischer“ Mountainbiker vor vielen Jahren bezwungen. Im oberen Abschnitt wäre tragen und schieben angesagt. Es gab aber noch eine Zwischenvariante, die über eine schöne Alm führte und die ich im September 2018 dann auch wählte.
Jetzt starten wir also zum Navene-Trail: über die alte Straße nach Nago, mit Blick auf die heutige Zufahrtsstraße zum See, an der Burgruine Penede vorbei. Von dort beginnt der Aufstieg zum Altissimo – Ausdauer ist gefordert. Viel Sonne, ein paar einigermaßen schattige Waldpassagen bieten aber etwas Erholung. Dann folgt die Abzweigung und ein Stück weiter der Einstieg in den Trail, weitgehend zwar ebenfalls schattig, warm wird uns dennoch. Vor uns ein paar Biker – teilweise mit Protektoren ausgestattet(?!). Zuerst noch einigermaßen „flowig“ wird es bald schlimm geröllig bei mitunter erheblichem Gefälle. Wir erleben das nicht zum ersten Mal. Es schein leider bei den Wegeerhaltern usus zu sein, zur Stabilisierung der schmalen Pfade loses Bruchgestein aufzuschütten. Es braucht dann immer einige Jahre, bis sich das etwas verfestigt und besser befahrbar wird. Hier bewährt sich jedenfalls ein Fully. Im unteren Drittel wird es dann wieder flüssiger bei festem Boden. Von Navene aus rollen wir über die zum Glück um diese Zeit moderat befahrene Uferstraße direkt zum Goetheplatz in Torbole, zum besten Tiramisu der Welt.
Navene-Trail
Ein kurzer Auszug des Navene-Trails. In steileren Passagen sind zu dem Geröll auch Stufen gesetzt, damit das Zeug nicht zu schnell abrutscht. Auf einer Seite des Pfads geht es meist sehr steil abwärts, zwar mit Bewuchs, der irgendwann bremst, aber ein Sturz wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht schmerzfrei ...
Kleiner Nachteil der Brustkamera: je steiler das Gelände, umso mehr schwenkt sie aufgrund der Körperhaltung nach unten. Ich arbeite daran ...
Sound: „Exit the Premises“ by Kevin MacLeod (incompetech.com); Creative Commons: CC-BY 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/)
Dienstag
In der Nacht hat es schon nicht mehr abgekühlt, es verspricht also wieder ein ordentlich warmer Tag zuwerden. Wir planen Bademöglichkeit ein, wollen aber ein paar Höhenmeter „mitnehmen“. Die berühmte schönste Strecke, die Ponalestraße, und der Ledrosee sind auserkoren. Zwar schon vielfach Bild-dokumentiert, habe dennoch einige Fotos ergänzt, da die Ponalestraße, wie ich in dem nun noch aktualisierten Beitrag Ponalestraße glattgebügelt berichte, generalsaniert wurde und wird, um die Begegnung der Wanderer und Biker zu erleichtern. Im Sinn der Sache gut, was Spaß an der Abfahrt betrifft, leider weniger gut.
Nach dem Bad im heuer auch recht warmen Ledrosee fahren wir zurück bis zur Weggabelung oberhalb der restaurierten Panoramabar Ponale Alto Belvedere – übrigens auch eine herrliche Raststation mit Aussicht – und von dort in das Bergdorf Pregasina hinauf. Beide Ziele haben wir schon unzählige Male angesteuert, weil es einfach zu schön ist. Diesmal haben wir uns Zeit gelassen und essen gleich in dem Panoramahotel in Pregasina zu Abend. In Riva „müssen“ wir dann später nur noch auf ein Eis zum Flora.
Mittwoch
Der Tag ist schnell abgehandelt. Es ist schon ordentlich heiß und das Ziel ist der wunderschön gelegene Tennosee. Besonderheit, die allerdings noch ein paar Höhenmeter nach dem Badeaufenthalt am See bedeutet, ist die anschließende Abfahrt über den Pinzatrail. Der bekannte Klassiker ist ein kurzer, moderater Trail, der unterhalb von Campi startet und dann im Wald oberhalb von Riva verläuft, entsprechende Aussicht auf die Stadt bietet und schließlich über eine steile Betonrampe direkt in selbiger endet. Bildmaterial ist diesmal kaum entstanden. Den Trail samt Aussicht habe ich früher schon reichlich dokumentiert, Videos inklusive, und ich werde das hoffentlich in absehbarer Zeit aufbereiten. Der Tennosee hat heuer mehr Wasser, ein Umstand, dem wir vielleicht den munter sprühenden Varone-Wasserfall (siehe Freitag) verdanken, der von dem See gespeist wird.
Donnerstag
An sich eine schöne Aufwärmtour mit 32 Kilometern und gut 500 Höhenmetern. Aufwärmen können wie diesmal mehr als wörtlich nehmen. Auf den Serpentinen zur Burg Drena in der prallen Sonne am Vormittag beginnen wir fast zu glühen. Da ist der weitere, teilweise schattige Streckenverlauf mit der Open Air Gallery und dem Maronihain bei um die 40 Grad fast eine Abkühlung. Letztere gönnen wir uns nach einem Kaffee in Arco jedenfalls im Gardasee, der sich in den vergangenen Tagen merklich erwärmt hat.
Freitag
Wir haben ob der Temperaturen der vergangenen Tage keine Bike-Tour mehr geplant. Außerdem wollen wir am frühen Nachmittag heimreisen. Wir waren noch nie beim Varone-Wasserfall, der auch als Ausflugsziel beworben wird, weil er uns als unspektakulär geschildert worden war. Also los! Er liegt an der stärker von Autos befahrenen Auffahrtsstraße zum Tennosee unter dem Ort Tenno. Mit dem Bike fahren wir immer die ruhigere alte Straße über Pranzo zum See und kommen nicht hier vorbei.
Wir sind angenehm überrascht! Vermutlich, wie oben erwähnt, aufgrund des Wasserstands des speisenden Tennosees rauscht es ganz ordentlich. Offenbar wurde die Anlage, die wohl schon vor fast 100 Jahren errichtet wurde, jüngst ausgebaut bzw. renoviert. Als die Höhlen einst entdeckt wurden, konnten nur Geübte über das Bachbett aufsteigen. Wir flanieren heute über gepflegte Stege und Treppen und lassen uns in der unteren und oberen Höhle kräftig einsprühen. Die Kameralinsen sind fast schneller dicht, als man den Auslöser drücken kann. Die untere Höhle ist Effekt-beleuchtet, in der oberen gibt es einen natürlichen doppelten Regenbogen. Die Schlucht scheint durch den Sprühnebel, der wie eine Klimaanlage wirkt, ein kleines Biotop zu sein. Es ist jedenfalls wie jetzt im Sommer und mit der aktuellen Wassermenge deutlich kühler als in der Umgebung.
Als wir nach High Noon wieder am See ankommen, bemerken wir, dass das typische Gardasee-Wetter zurückgekehrt ist: die Ora, Lebenselixier der Surfer am nördlichen Ende das Sees, hat eingesetzt. Die Luft ist auch hier nun merklich angenehmer. Leider ist unsere Zeit wieder einmal vorbei und wir steigen ins Auto ...
Fortsetzung folgt!
Wir sind im September 2019 noch einmal am Gardasee – und ich schaffe es wieder auf den Tremalzo, ohne Shuttle, wohlgemerkt. Mit der Aufstiegs-Leistung bin ich alledings nicht ganz zufrieden. Im Problemjahr 2020 sind wir – ob der Situation kurzfristig geplant– die letzte Augustwoche dort. Glücklicher Zeitpunkt, da die Maßnahmensituation, auch dank entspannter und moderat disziplinierter Italiener, noch erträglich und uns der Wettergott hold ist – ein paar dringend nötige Tage zum Kopf auslüften. Der Tremalzo wird auch dieses Jahr bezwungen – die Leistung passt wieder und der Abfahrtsspaß sowieso ...
Schreibe einen Kommentar